In ihm spiegelt sich von außen die Welt, von innen der Mensch …“
schrieb Goethe 1810.
Seit seiner Gründung 2001 bietet der Kunstverein Buchholz/Nordheide vorwiegend jungen Künstlern ein Forum, ihre Werke erstmals einem größeren Kreis von Interessierten zu präsentieren. Der Kunstverein ist ein Ort der künstlerischen Produktion und Innovation; der den Blick verunsichert, das Auge auf die Probe stellt und die Wahrnehmung herausfordert.
Auch zu seinem 10jährigen Jubiläum bleibt der Kunstverein seinem Motto „Most art says nothing to most people“ treu und zeigt ungewöhnliche, künstlerische Positionen, die aktuelle künstlerische, kulturelle und gesellschaftliche Diskurse aufgreifen und dem Besucher die direkte und aktive Zeitgenossenschaft sowie Teilhabe an innovativen Vermittlungsansätzen ermöglichen. Neben den Ausstellungen wartet Kunstverein einmal mehr mit einem attraktiven Begleitprogramm wie Exkursionen, Vorträgen und Diskussionen auf.
Die letzten zehn Jahre haben gezeigt, wie wichtig eine Institution wie der Kunstverein Buchholz/Nordheide ist und sein kann, denn gerade in der Kunst liegen die Kraft und Werte, gesellschaftliche Diskussionen abzubilden und in das unmittelbare, persönliche Umfeld zu tragen.
Vielen Menschen ist zu danken, die den Kunstverein in den letzten Jahren begleitet haben. Zu allererst Wolfgang Schröder, erster Vorsitzender und entschlossener Initiator der Idee „Kunstverein“ und Andreas Bendt, ehemaliger Buchholzer Stadtdirektor, deren gemeinsames Wirken ganz entscheidend zur Entstehung des Kunstvereins beigetragen haben.
Alle Mitglieder haben maßgeblichen Anteil daran, dass der Kunstverein sein Angebot aufrechterhalten kann. Ihnen ist ebenso für ihre Treue zu danken, wie dem Lüneburger Landschaftsverband und der Sparkasse Harburg-Buxtehude, deren Unterstützung ein wesentlicher finanzieller Rückhalt für das umfangreiche Jahresprogramm ist. Auch der Stadt Buchholz ist an dieser Stelle besonders zu danken, denn die Übernahme der Mietkosten ist eine wesentliche und notwendige Grundlage für die Tätigkeit des Kunstvereins.
Bestätigt durch konstant gute Besucherzahlen und durch eine stetig steigende Zahl von Mitgliedern sieht der aktuelle Vorstand den anstehenden Aufgaben mit Zuversicht entgegen und freut sich darauf, auch künftig den treuen Besuchern und neuen Interessierten ein attraktives und zeitgemäßes Programm anbieten zu können.
Auf der Ölbohrinsel „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko gibt es eine Explosion. Die meisten der 126 Arbeiter können gerettet werden, 11 bleiben vermisst.
22. April 2010, Welt online
Die brennende Bohrinsel sinkt. Zum Untergang trägt eine Serie technischer und menschlicher Fehler bei.
25. Mai 2010, www.focus.de
Fischer fürchten um ihre Existenz: Drei US-Bundesstaaten haben den Notstand für die Fischerei ausgerufen. BP hat indessen neue Pläne, um das sprudelnde Öl zu stoppen.
24. 05. 2010, www.focus.de
Ölpest: USA sperren Traumstände
Die Ölkatastrophe nach der Explosion der BP-Plattform schwappt nun über die US-Küste hinweg. BP und die US-Regierung scheinen hilflos.
Vogel-Brutgebiete sind von brauen, klebrigen Ölklumpen übersät. Verseucht sind sogar die Nester und Eier. Ein Pelikan wurde gefilmt, wie er verzweifelt versuchte, Öl an Federn und Beinen loszuwerden. Öl drang auch in die Sümpfe des Mississippi-Deltas ein. Experten: Die Reinigung ist dort „praktisch unmöglich“.
10. Juni 2010, Welt online
Allein in Louisiana haben inzwischen mehr als 70 Menschen ärztliche Hilfe gesucht – wegen Übelkeit, Kopfschmerzen, entzündeten Augen und Atembeschwerden. Mindestens 1100 ölverschmierte Vögel wurden gefunden, der größte Teil von ihnen tot.
Wegen dem Tropensturm „Bonnie“ haben alle Arbeiten am Ölleck im Golf von Mexiko beendet werden müssen. Alle Schiffe, von denen aus die Entlastungsbohrungen gemacht werden, wurden abgezogen. Dadurch verzögern sich die Arbeiten am Verschluss des Öllecks, das die Ölpest in den USA verursachte, um bis zu zwölf Tage.
27.07.2010, Focus online money
Hayward tritt zurück – BP mit Milliardenverlust
Svandberg würdigte Haywards Verdienste um das Unternehmen und äußerte sich „tief betrübt“ über seinen Abgang.
Der wird dem 53-Jährigen mit der Nominierung für einen Aufsichtsratsposten bei TNK-BP und mit einem Jahresgehalt von 1,045 Millionen Pfund (1,26 Millionen Euro) versüßt. Auch behält er seine Aktienoptionen aus einem Bonusprogramm, die etliche Millionen wert sein können, wenn sich der seit dem Unglück um 40 Prozent eingebrochene Kurs wieder erholt. Dazu kommen Pensionsansprüche von rund 700.000 Euro jährlich.
Greenpeace protestiert Mit Demonstrationen an Londoner Tankstellen und vor der BP-Zentrale in Bochum protestierte Greenpeace gegen die ökologische Bilanz des Ölkonzerns. 100 Tage nach Beginn der Katastrophe im Golf von Mexiko werde immer deutlicher, dass Ölbohrungen in der Tiefsee nicht beherrschbar seien und BP nichts aus dem Desaster gelernt habe, kritisierte die Umweltorganisation. BP müsse seine Unternehmensstrategie umkrempeln und sich von der Tiefseeförderung verabschieden.
29. Juli 2010, ZEIT ONLINE
Millionen Liter Öl ausgelaufen – Michigansee bedroht
Den USA macht eine neue Ölpest zu schaffen: In der Ortschaft Marshall im Bundesstaat Michigan ist am Montag eine Pipeline gebrochen. Inzwischen sind mehr als drei Millionen Liter Öl in den kleinen Fluss Talmadge gelaufen. Ein Teil davon floss wiederum in den Fluss Kalamazoo, der in den Michigansee mündet. Damit ist einer der fünf Großen Seen Nordamerikas von einer Umweltkatastrophe bedroht.
29. Juli 2010, n-tv.de
Satte Gewinne im Öl-Geschäft Shell steht voll im Saft
31. Juli 2010, Welt online
Laut des Gouverneurs von Louisiana sei eine 30 Meter hohe Ölfontäne aus dem Leck geschossen, es sei aber unter Kontrolle.
31. Juli 2010, WELT ONLINE
Falscher Zement führte zur Öl-Katastrophe
Der Konzern sparte Zeit, Geld sowie die Sicherheit der Meere. Experten enthüllen, wie es zur Explosion der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ kommen konnte.
31. Juli 2010, SF Tagesschau International
Das US-Repräsentantenhaus hat angesichts der verheerenden Ölpest im Golf von Mexiko schärfere Regeln für Tiefseebohrungen verabschiedet. Ein ähnliches Gesetz wird auch im US-Senat beraten.
Nach dem Untergang der Bohrinsel «Deepwater Horizon» des britischen Energiekonzerns BP war seit Mitte April fast drei Monate lang Öl in den Golf von Mexiko geströmt. Erst Mitte Juli war es BP gelungen, den Ölfluss zu stoppen. Die Abdichtung ist jedoch nur eine Zwischenlösung. Der endgültige Verschluss der lecken Ölquelle mit Hilfe von Schlamm und Zement soll bis Mitte August erfolgen.
„Peace, Joy ’n‘ Pancakes“
Der politische Zusammenhang zwischen den Ausstellungsobjekten und den Schlagzeilen wird vor allem mit dem Werk „Peace, Joy ’n‘ Pancakes“ deutlich. Wir haben ein Seebild vor uns, dessen Grautöne bei ungenauem Hinsehen dem Betrachter Unwetter assoziieren lässt. Haben die Romantiker für sich das Erhabene in der Natur entdeckt , es in ihren Abbildungen gewürdigt und mit entsprechenden Stilmitteln hervorgehoben, so entsteht hier der Bruch und wir sehen ein politisches, auf die Realität bezogenes Werk. Ähnelt die Stimmung im ersten Moment vielleicht der des Gemäldes „Der Mönch am Meer“ von Caspar David Friedrich, so wird schnell deutlich, dass es sich hier nicht um eine Naturerscheinung handelt, sondern eine Katastrophe, hervorgerufen durch den Menschen. Wir sehen auf der linken Seite ein Objekt, eingehüllt in dunklen Rauchschwaden. Die beiden Löschschiffe lassen uns wissen, dass hier ein Feuer gelöscht wird. Die Assoziation zur Bohrinsel „Deepwater Horizon“ liegt für den Betrachter nahe und ist von dem Künstler beabsichtigt. Die bis ins Schwarze gehenden Rauchschwaden auf der rechten Seite des Bildes verstärken die unheimliche und beängstigende Wirkung des Werkes.
Wir haben es hier mit einer Form der gegenständlichen Malerei zu tun, die mit ihrem Realitätsbezug eine deutliche, allgemein verständliche Sprache führt. Es geht nicht um die Gefühlswelt des Einzelnen, des Individuums, sondern um Situationen und Umstände, deren katastrophale Ausmaße alle Lebewesen bedrohen. Der Mensch als Verursacher tritt auf diesem Gemälde nicht in Erscheinung – als ob sich die Zerstörung ohne den Menschen verselbstständigt hat. Damit wird nicht nur das Bedrückende der Situation, sondern auch unsere Hilflosigkeit wieder gespiegelt.
„Good Morning Mr. Nicolson“
Realistische Kunst ist nicht zu verwechseln mit Fotographie oder detailgetreuer Malerei. Sie werden gleich hören und sehen, was es mit diesem Satz auf sich hat.
Wenden wir uns dem Bild „Good morning Mr. Nicolson“ zu. Mr. Nicolson alias Boxi nimmt mit dem Titel direkten Bezug auf Courbets Bild „Die Begegnung“ oder “Bon jour Monsieur Courbet“.
Courbet ist der (selbst ernannte) Gründer der Stilrichtung ‚Le Realismè’. Obwohl ihm als erfolgreicher Maler vertraglich die Ausstellung seiner Bilder im Salon zugesichert wurde, lies die Jury zur Weltausstellung 1855 in Paris drei seiner heute bekanntesten Werke nicht zu:
– ‚Das Atelier’
– ‚Das Begräbnis von Ornans’
– ‚Das Bildnis Champfleurys’
Aus Protest errichtete Courbet seinen eigenen Pavillon in der Nähe des Ausstellungsgeländes mit einem großen Schild über dem Eingang: `Pavillon du realismè’
Damit war zwar ein neuer Begriff für eine Stilrichtung geboren, jedoch nicht eine neue Art der Malerei. Den wirklichkeitsnahen oder -getreuen Effekten haben sich schon Maler in der Vergangenheit bedient. Denke man an Goyas Gemälde der königlichen Familie Karls des IV (1800). Eine von den unzähligen äußerst kritischen wirklichkeitsnahen Darstellungen. Es handelt sich bei diesem Familiengemälde um eine nicht eben schmeichelhafte Wiedergabe der einzelnen Akteure. Gassier/Wilson sprechen von einem „unbarmherzigen Realismus“.
Courbet erhob jedoch den Anspruch, als erster die Darstellung der Wirklichkeit, die aus sich selbst heraus, unkommentiert Kritik übt, zu einer stilistischen Form mit überprüfbaren Merkmalen:
Courbets Rede in Antwerpen anlässlich des Künstlerkongresses kennzeichnet Courbet das Wesen realistischer Kunst als einer künstlerischen Methode, die durch drei Momente bestimmt ist:
– Ablehnung des Ideals
– Anerkennung der Prinzipien politischer Philosophie
– Politische Zielsetzung
Zunächst muss „Die Begegnung“ (Bon jour Monsieur Courbet) im Kontext zweier weiterer Gemälde Courbets betrachtet werden. „Die Rückkehr aufs Land“ von 1852 stellt Courbet selbst, als einen freien, wilden, den Konventionen den Rücken kehrenden Wanderer dar, der die Natur und das ländliche Leben als seine Heimat begrüßt. Mit der Geste des schwenkenden Hutes wird dieser Gruß bestätigt. Der „Prügel“ (Wanderstab), den der Wanderer über der Schulter trägt, war für die damalige bürgerliche Gesellschaft und die gehobenen Schichten eine Bestätigung, die Landbevölkerung als Urheber sozialer Unruhen zu sehen. Von der zentralen Regierung verdächtigt wurde besonders die Landbevölkerung überwacht. Das Gemälde „Die Rückkehr“ hat somit etwas Provozierendes, während das Gemälde „Bonjour…“ den vermittelnden Aspekt einbezieht, ohne jedoch Anpassung evozieren zu wollen. Vielmehr hat sich Courbet als Kosmopolit und Regionalist verstanden, der sich nach eigener Aussage, einer Doppelstrategie bedient, die in sich keinen Widerspruch birgt. Auf seinen Gemälde Bonjour Monsieur Courbet vereint Courbet den bäurisch, wilden, widerständischen mit dem versöhnenden Menschheitsführer, der seine Botschaft friedlich und über die Grenzen verbreitet. Diesen friedfertigen Botschafter hat Courbet auf einem vorangehenden Gemälde als „Der Apostel Jean Journet bricht auf zur Verbreitung der universellen Harmonie“ dargestellt.
Auch von dem Gemälde „Bon jour Mr. Nicholson“ geht keine Aggression von den Protagonisten aus. Die Grautöne lassen das Bild düster, ja bedrohlich wirken und auch das Licht am Horizont strahlt nicht unbedingt Wärme aus, dennoch nehmen wir die unheimliche Ruhe war. Die Unheimlichkeit wird von den Figuren Vater und Kind bzw. Boxi mit seiner Tochter verstärkt. Der Rucksack steht für den Wanderer, das Kind für Schutz, Geborgenheit und Frieden. Die Drohne am Himmel steht für die gezielte Überwachung und Bedrohung eines politisch militärischen Systems. Die Weite, hervorgerufen durch Grautönung, Horizont und Lichtspiel lässt die beiden Wesen vereinzelt und schutzlos, der gezielten Überwachung ausgeliefert erscheinen. Die Drohne ruft uns nicht nur den Begriff der Überwachung durch das Militär in Kriegssituationen in das Bewusstsein; die Figuren von Vater und Tochter führen uns das Alltägliche dieses Überwachungszustandes im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen. Denken wir an das Internet mit Google Street, den vielen Überwachungskameras in den Städten, die aufgeweichten Datenschutzgesetze und Persönlichkeitsrechte.
Die fast harmonische Wirkung des Bildes irritiert zunächst, lässt den Betrachter verweilen – inne halten und die Beklemmung die wir spüren, die im Gegensatz zur Tiefenwirkung und damit Weite des Bildes steht, sich ausbreiten.
„The Embrace – Die Umarmung“
Ich möchte an dieser Stelle überleiten zu dem Bild „Die Umarmung“. Boxi nimmt hier auf ein relativ frühes Werk Picassos „El abrazo“ (1903) bezug. Mehrere Skizzen lässt Picasso schließlich in einem Pastell gipfeln. Diese Umarmung von Mann und Frau drückt Verzweiflung aus. Ihre Nacktheit zeigt nicht nur Empfindsamkeit sondern auch Verletzbarkeit. Die Figuren bilden zusammen eine geschlossene Form, die mit den verschlungenen Oberkörpern in einem Rundbogen mündet. In ähnlicher Pose stellt Boxi seine Figuren dar.
Die Haltung bis zu den Beinen (Standbein/Spielbein der rechten Figur). Nur die Oberkörper sind in ihrer Umarmung diametral. Der Arm der Linken Figur legt sich schützend auf den Hinterkopf der rechten. Die Schutzanzüge lassen die Figuren fast zu einer kompakten Einheit verschmelzen. Eingehüllt in dem knittrigen Material wirkt auch diese Umarmung verzweifelt und löst beim Betrachter Unbehagen aus. Die Schutzanzüge betonen eher die Fragilität der Personen, die sie verbergen und unterstreichen die hier nicht greifbare und doch so existente Bedrohung, verstärkt durch die Farbgebung und Tiefenwirkung des Hintergrundes.
„Zeitkapsel – Time Capsule TC15082K10“
Unter dem Begriff Time Capsule findet man unzählige Angebote technischer Geräte (drahtlose Festplatten mit Basisstation und Dualband – Unterstützung zur Sicherung deiner Erinnerungen bis hin zur Zeitkapsel, die 1992 mit Gegenständen von Kindern gefüllt wurde, die Ihnen wichtig erschienen und die im Jahre 2042 wieder geöffnet werden soll. Diese Zeremonie fand in den Nickelodeon Studios bei den Universal Studios in Orlando, Florida statt. Samenbanken sind in gewisser Weise auch Zeitkapseln – sichern sie doch den botanischen Bestand über Jahrhunderte hinweg – von diesen hat der Künstler sich schließlich u.a. zu seiner Time Capsule anregen lassen.
Bei Boxis Zeitkapsel geht es weniger um den eher harmlosen Wunsch, die Nachwelt mit den Ideen von heute zu beglücken oder sich technische Erinnerungshilfen zuzulegen. Ganz in den Kontext der Ausstellung eingebettet, werden wir mit dem Katastrophenfall konfrontiert. Hier geht es um das Überleben. Der Künstler hat bis ins Detail geplant, welche Gegenstände notwendig sein können im Falle des Überlebens eines apokalyptischen Szenarios.
Auch wenn sich mit diesem Werk der Wunsch nach überleben ausdrückt und eine detaillierte Planung erfolgt ist, so haben wir es doch mit Vorstellungen zu tun, die sich auf ein Nachher beziehen. Diese Vorstellungen finden mit Sicherheit Nahrung im Nachher der weltweiten Katastrophen, die vermehrt auf Umweltschäden bzw. Klimawandel zurückzuführen sind.
Damit schließt sich der Kreis in dieser Ausstellung. Wir erleben hier nahezu sinnlich die Ausmaße der Umweltzerstörung als Hybris der Menschheit. Der Wunsch zu leben entwickelt sich zum Überlebenswunsch.
Hier wird eine Zeitkapsel gepackt, wie ein großer Koffer. Wohin die Reise geht weis niemand so genau – Hauptsache Überleben!
Diese Ausstellung führt uns Aspekte der Wirklichkeit vor Augen, die wir häufig nur in der bildhaften Distanz der Medien erleben. Diese Distanz wird hier aufgehoben; wir können uns nicht entziehen. Wir finden uns wieder zwischen Traum und Ausrede.
Dem Betrachter wird mit ungeheurer Wucht deutlich gemacht, dass er in der Zukunft schon längst angekommen ist. – Hauptsache Überleben?
Rad-Ausfahrt zur Kunststätte Bossard Samstag, den 04.09.2010
Abfahrt 11:00 Uhr Kunstverein Buchholz/Nordheide
Ankunft 16:00 Uhr Kunstverein Buchholz/Nordheide
Anreise per eigenem PKW möglich! Auch einen Bus-Transfer können wir anbieten!
Kosten: 15,00 Euro Mitglieder
20,00 Euro Nichtmitglieder
inkl. Eintritt, Führung und Imbiss
Anmeldung unter: 04181-38 00 868 (C.Selke)
von Renoir bis Moore
Kleinplastiken aus der Nationalgalerie Berlin an der Kunststätte Bossard
Die hochkarätigen Leihgaben aus der Nationalgalerie in Berlin reichen von den noch im traditionell Figürlichen verhafteten Plastiken eines Aristide Maillol über die expressionistischen Werke von Ernst Barlach und Käthe Kollwitz sowie die zunehmende Abstraktion der menschlichen Figur bei Bildhauern wie Alexander Archipenko bis hin zu den Nachkriegspositionen von Henry Moore und Karl Hartung. Die sensiblen Tierdarstellungen von Renèe Sintenis zeigen die Vielseitigkeit der Kleinplastik zwischen skizzenhaftem Entwurf und voll ausgearbeitetem Werk. Den Abschluss markiert das Werk „Doppelform“ aus dem Jahr 1950 von Karl Hartung, der Bossards Schüler war.
KiC-NordArt: Kunst in der Carlshütte Sie ist die größte Kunstausstellung Nordeuropas und findet in einem ungewöhnlichen Ambiente statt: die Nord Art, das zeitgenössische Panorama internationaler Maler, Bildhauer, Installationskünstler und Fotografen. Veranstaltet von der KiC, beeindruckt die Nord Art nicht nur durch die Größe ihrer Ausstellungsfläche, sondern auch durch ihren internationalen Charakter. Während die Nord Art für die einen „ein bunten Querschnitt aktueller Gegenwartskunst“ (Kunstforum) ist, wird sie von anderen als bis ins Kleinste komponierte Gesamtkunstwerk geschätzt, das die internationalen Kunstwerke in einen ebenso erhellenden wie spannenden Zusammenhang setzt.
Fear and the manipulation of fear are the dark undercurrents that run through Boxi’s latest solo show “Between a dream and an excuse”. For the first time at Kunstverein Buchholz/Nordheide, the Berlin-based British artist will be showing his new installation entitled “TC15082K10”, an ominously sealed steel time capsule presented on an exquisitely made euro-pallet, set against a backdrop of its clinically depicted contents, which are almost worth dying for. His recent oil spill painting, entitled “Peace, Joy ‘n’ Pancakes!”, ironically feigns a harmonious equality and beauty amidst the bleak ugliness and catastrophe of profit and negligence.
For the Kunstverein Buchholz/Nordheide, Boxi has also created the wall painting “Good Morning Mr Nicholson”, a modern day interpretation of Courbet’s painting “Bonjour Monsieur Courbet” of 1854, which plays on the visual role of the artist as observer and confrontationist. So too, does the edition “The Embrace”, a classic pose extracted from Picasso’s work “L’étreinte” of 1903. The work depicts two naked desperate lovers, who are in this case resentfully clad in Hazmat suits.
Boxi’s use of the greyscale within his paintings, sculptures and meticulously detailed stenciled works consciously filter the gloss and spin of the present to a muted bass sense of now. Through all the doom and gloom though, there is, of course, concealed light. The works are camouflaged in a romanticism that wouldn’t exist were it not for failed dreams and flawed excuses.
Angst und Manipulation der Angst durchziehen wie dunkle Unterströmungen die Arbeiten der aktuellen Ausstellung “Between a dream and an excuse” („Zwischen Traum und Ausrede“) des britischen Künstlers Boxi. Im Kunstverein Buchholz/Nordheide wird der in Berlin lebende Künstler erstmals seine neue Installation, eine unheilverkündende versiegelte Zeitkapsel aus Stahl mit dem Titel „TC15082K10“, zeigen. Diese wird auf einer äußerst hochwertigen Europalette vor dem Hintergrund ihres klinisch dargestellten Inhalts, für den es sich beinahe lohnt, sein Leben zu geben, präsentiert. Sein jüngstes Gemälde mit dem Titel „Peace, Joy ’n‘ Pancakes!“ („Friede, Freude, Eierkuchen!“) thematisiert Ölkatastrophen. Voller Ironie werden ein harmonisches Gleichgewicht sowie Schönheit inmitten der trostlosen Hässlichkeit und katastrophalen Auswirkungen durch Profitdenken und Fahrlässigkeit vorgetäuscht.
Für den Kunstverein Buchholz/Nordheide hat Boxi außerdem die Wandmalerei „Good Morning Mr Nicholson“, eine moderne Interpretation Courbets Gemäldes „Bonjour Monsieur Courbet“ aus dem Jahre 1854, geschaffen, die auf die Rolle des Künstlers als Beobachter und jemand, der provoziert, anspielt. Auch Boxis Version der Umarmung “The Embrace”, die der klassischen Pose des Gemäldes „L’étreinte“ Picassos aus dem Jahre 1903 nachempfunden wurde, knüpft daran an. Hier werden ebenfalls zwei nackte verzweifelte Liebende dargestellt, jedoch sind diese in seiner Arbeit obendrein noch in Hazmat Schutzanzüge gekleidet.
Die für den Künstler charakteristische Verwendung von Graustufen in seinen Gemälden, Skulpturen sowie auch seinen akribisch detaillierten Stencilarbeiten filtert bewußt den Glanz und Spin der Gegenwart, wodurch das Hier und Jetzt ähnlich einem gedämpften Bass nur noch unterschwellig wahrgenommen wird. Durch all die Finsternis und Untergangsstimmung zieht sich aber dennoch verdecktes Licht. Und noch etwas haben alle Arbeiten Boxis gemeinsam: Sie tarnen sich in einer Romantik, die nicht existieren könnte, gäbe es nicht verfehlte Träume und falsche Ausreden. Dr. Sven Nommensen, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig
Stefan Mauck sorgt dafür, dass wir mehr wissen, denn er sammelt umfangreiche Informationen, befragt Bewohner, Verwalter und andere Personen und generiert daraus Texte, die er auf Hauswänden anbringt oder zumindest als Simulation auf einer Fotografie des Gebäudes und seines unmittelbaren urbanen Umfeldes wie real existent erscheinen lässt.
Die betonte Sachlichkeit der Texte wird unterstrichen durch die Wahl der Courier-Schrift, die in ihrer Gleichförmigkeit eine Wahrnehmungsweise provoziert, bei der das Auge die Fassade wie ein Scanner sukzessive abtastet. Das zunächst als Ganzes wahrgenommene Graustufenbild wird beim Lesen zwangsläufig in seine kleinsten Bestandteile zerlegt, Pixel für Pixel, Buchstabe für Buchstabe gelesen. Der Bertachter nimmt dabei die inhaltlichen Details auf, die das schemenhafte Bild zum komplexen Teil seiner Umgebung machen.
Vita Stefan Mauck
1973 geboren in Stade
1994 – 2000 Studium der Freien Kunst an der Hochschule für bildende Künste Braunschweig
2000 Diplom
2001 Meisterschüler bei Johannes Brus dreimonatiger New York-Aufenthalt
Preise und Stipendien
1998 – 2000 Stipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes
2002 Schinkelpreis, Architekten- und Ingenieurverband, Berlin
Michael F. Otto sorgt in seinen Gemälden dafür, dass verschiedene Bildsprachen zusammentreffen und den gegenständlichen Zug verfremden. Sie verhindern jede wohlige Einfühlung und bequeme Idyllisierug, auch wo das Heimatmotiv danach zu rufen scheint. Ihre Signatur ist das Disparate, Auseinanderstrebenden, Nicht–Zusammengehörige, welches die Ironie unterstreicht.
Vita
Michael F. Otto
Geboren 1960 in Hameln
1985 Studium der Freien Kunst an der FH Hannover bei Prof.
Günter Sellung
1992 Meisterschüler bei Prof. Ulrich Baehr
Ausstellungen
2009 Sind im Garten, Georgengarten Hannover
2008 Galerie vom Zufall und Glück, Hannover
2007 Salon Salder, Städtisches Museum Schloß Salder, Salzgitter
2006 Sonderwoche, Wilhelm-Busch-Museum Hannover
2004 Jahresgabenausstellung, Kunstverein Neustadt
2003 Klassentreffen, Galerie vom Zufall und Glück, Hannover
Marnie Moldenhauer beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit Materialien und Gegenständen aus der Alltagswelt. Die Gegenstände / Materialien stehen in einem jeweiligen Kontext. Mit möglichst leichten Eingriffen versucht sie die Gegenstände aus ihrem zugeordneten Kontext zu lösen und ihnen eine neue Möglichkeit der Daseinsform zu geben, die nicht eine endgültige sein soll, sondern eine weitere. Dies geschieht einerseits durch Kombinationen verschiedener Gegenstände / Materialien, andererseits durch Veränderung der Gegenstände an sich (z.B. durch Ausschneiden und/oder Neukombination bestimmter Bestandteile ). Sie versucht, spielerisch mit den Gegenständen zu hantieren und durch dieses Spiel den funktionalisierten Umgang mit den Dingen und damit das eigene funktionalisierte Handeln zu unterlaufen. Bisher verdeckte Formen und Eigenschaften des Gegenstandes/Materials sollen entdeckt und neu sichtbar herausgearbeitet werden.
1989 – 1997 Hochschule für bildende Künste, Hamburg, Fachbereich Freie Kunst, Diplom mit Auszeichnung
1997 Stipendium des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein verbunden mit einem Atelieraufenthalt im Künstlerhaus Kloster Cismar
1998 Stipendium der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen, verbunden mit einem Atelieraufenthalt im KünstlerdorfSchöppingen
1999 Stipendium der Stiftung Kulturfonds e.V., verbunden mit einem Atelieraufenthalt im Künstlerhaus Lukas Ahrenshoop
2000 Esslinger Bahnwärterstipendium, verbunden mit einem Atelieraufenthalt im Esslinger Bahnwärterhaus
2001 Atelierstipendium in Gunnar Gunnarsson Institut, Island
2002 Stipendium des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein verbunden mit einem Atelieraufenthalt im Künstlerhaus Eckernförde
2005 Atelierstipendium in der Lademoen Kunstnerverksteder in Trondheim, Norwegen
2008 Stipendium der Stadt Bremerhaven verbunden mit einem Atelieraufenthalt im Wilke-Atelier, Bremerhaven
Ausstellungen
2008 „Große Kunstausstellung München“ (G), (K), Haus der Kunst, München
„Das traute Heim“ – dieser Begriff ist tief in der deutschen Wohn- und Lebenskultur verankert. Dieser Begriff versinnbildlicht wie kaum ein anderer eine bildliche Vorstellung vom behaglichen Zuhause, vom sicheren Rückzug vor den Wirrnissen der (Arbeits-) Welt. Er verkörpert die harmonische Zusammenkunft von Familie und Freunden, von Gemütlichkeit und heiler Welt in der „guten Stube“.
Vor dem Hintergrund sich wandelnder Werte- und Lebensstrukturen, angesichts schwindender familiärer und regionaler Identifikationen verspricht das traute Heim einen Ort der Sicherheit und des Sorglosen. Diese Sehnsüchte werden getragen von Erinnerungen an das geborgene Elternhaus, an die etwas schwerfällige Gemütlichkeit bei den Großeltern oder vom Wunsch nach einer nie erlebten Geborgenheit.
Alle den Begriff „Trautes Heim“ konstituierenden Elemente der Bequemlichkeit und Behaglichkeit, Harmonie und Sicherheit deuten auf konpensatorische Funktion hin. Das „traute Heim“ weist nicht nur gewisse, allgemein anerkannte Gestaltungsqualitäten auf, es genügt auch den Ansprüchen an Redlichkeit und anderen Tugenden, die den idealistischen Glauben an die heilenden und erzieherischen Kräfte eine harmonischen und Schönen Umgebung einlösen.
Das Klischee vom „trauten Heim“ als Repräsentationsbedürfnis des Kleinbürgertums und die Vorstellung von voluminösen Polstermöbeln spiegelt dabei nur eine Facette einer den Deutschen nachgesagten Mentalität. Auch der Wunsch nach dem Eigenheim ist eine Konstante im Geflecht der Ideologien. Die emotionalen Erwartungen, die an die eigene Lebensplanung und an die Familie gestellt werden, stehen in engster Weise mit dem Haus, dem Zuhause in Verbindung. Das Eigenheim steht als Ausdruck für Spießertum, verkörpert es doch „traditionelle Sehnsüchte des deutschen Stammtischbürgers: … das romantisch-biedermeierliche Ideal vom pfeifchenschmauchenden Zipfelmützenpatriarchen, der vor der eigenen Haustür in der Sonne sitzt“ –so der Spiegel im Jahr 1969.
Die drei Künstler hinterfragen diesen Komplex von Klischees und Gesinnungen.
Michael F. Otto (Coppenbrügge) kombiniert in seiner Malerei plakative Farbmuster mit alltäglichen, der häuslichen Umgebung entstammenden Gegenständen und weckt beim Betrachter eine Vielzahl eigener Erfahrungen und – vergessener oder verdrängter – Vorstellungen.
Stefan Mauck (Braunschweig) Schrift-Bild-Kombinationen verkörpert Übersetzungen häuslicher und heimischer Sachverhalte, denen handfeste Fallstudien zugrunde liegen. Gewissermaßen zwischen den Text-Zeilen und innerhalb der Haus-Silhouetten treten Mentalitäten zu Tage, die ein höchst differenziertes Bild über die Vorstellung vom „trauten Heim“ abgeben. Ein anderes Werk Maucks – ein Hausobjekt – wirft einen Blick auf die nüchterne Fassade vom (Traum-) Haus.
Marnie Moldenhauer (Hamburg) kombiniert eine Vielzahl, häuslicher Umgebung entsprungenen Gegenständen, die tradierte Werte und Normen versinnbildlichen. Diese Objekte und darüber hinaus farbige Scherenschnitte stellen die Erfahrungswelt des Betrachters in gänzlich neue Zusammenhänge.
Dr. Sven Nommensen
Pressestimmen:
Hamburger Abendblatt: „Home Sweet Home in der Nordheide“
Hamburger Abendblatt: „Weitere Bilder aus der Ausstellung Trautes Heim“
Hamburger Abendblatt: „Dem Kleinbürger ins Nest geschaut“
H.-C. Koglin (1937-2007) – seismologischer Chronist, der gesellschaftliche Erscheinungen, zwischenmenschliche Phänomene und deren psychologischen Bedingungen mit großer Aufmerksamkeit beobachtet – spürt mit äußerster Feinsinnigkeit und künstlerischer Sensibilität dem menschlichen Zusammenleben nach.
Mit den sog. Szenarien verleiht er dem Phänomen Masse und Individuum Ausdruck. Hierbei verwendet er Bild- und Guckkästen, in denen Szenerien mit Mengen von kleinen Modellfiguren komponiert und menschliche Verhaltensweisen – insbesondere in Massen – versinnbildlicht werden. Der genaue Blick in die Miniaturwelten Koglins gibt Details von Situationen zu erkennen, die im menschlichen Mit- und Gegeneinander nur allzu bekannt sind: Menschen auf der Flucht vor einer unbekannten Macht, Menschen im Strom in Richtung eines verheißenden Zieles, Menschen durch einen Trichter gepfercht, Menschen trotz vermeintlicher Nähe einander nicht beachtend, Menschen durch kaum sichtbare Hüllen von einander getrennt.
Ausstellungseröffnung:
Sonntag, den 21. März 2010, 11 Uhr
Begrüßung:
Silva Seeler, Mitglied des Niedersächsischen Landtages
Wewerka triumphierte über die Design-Funktionäre der Postmoderne, weil er es fertig brachte, die ursprüngliche Bedeutung von Designen in die Gegenwart zurückzuholen. Er vermittelte nämlich die Kraft der gedanklichen Konzepte des Paradoxien erschliessenden Witzes und der psychischen Energie mit der Welt der Dinge.
Er beseelte die Artefakte nicht nur durch den Schöpferhauch (unter Künstlern häufig als Mundgeruch der Trinker diskriminiert), sondern ermunterte sie, ja, zwang sie zu einem Eigenleben, wie es zuvor nur Theodor Vischer (Tücke des Objekts), Dick und Doof, Charlie Chaplin, Buster Keaton (Heimtücke des Fetisch) und nach Wewerka das Schweizer Künstlerduo Fischli und Weiss (Funktionslogiken der Objektpanik) versucht hatten.
Wewerkas hinkende Stühle, sich selbst unter den Tisch saufenden Tische und seine Totalisierung der Körperfaltungen zur raumsparenden Entsorgung sind Wunderwerke der künstlerischen Aufklärung: Sie verhindern die fundamentalistisch platte 1:1-Übersetzung von Gestalterideen in materiale Verkörperungen.
Er ist der Grossmeister des Antifundamentalismus durch Ermunterung der Dinge zur Schieflage, zum Eigensinn und zur blühenden Vieldeutigkeit und Mehrwertigkeit. Nun wendet die Natur Wewerkas Um- und Umgestaltungsvermögen auf den Meister selber an. Alter nennt man das Falten von Körperpartien, das Knickballett von nicht mehr tragfähigen Beinen – möge er am eigenen Leib die Bestätigung geniessen, dass er Gestaltung stets und naturgemäss als Rearrangement von Körpern im Raum, also als Ballett des Verschwindens betrieben hat. Ein guter Mann, er sei gesegnet.
Informationen zu der Fahrt ins Kunstmuseum Wolfsburg am 06.03.2010
Ich Zweifellos
Brian Alfred – Richard Billingham – Christian Boltanski – Bruce Nauman – Elizabeth Peyton – Cindy Sherman – Beat Streuli – Fiona Tan + Ehrengast
Wer bin ich? [und wenn ja, wie viele?] Wohl dem, der darauf antworten kann: Ich, zweifellos.
In der Ausstellung werden Werke von neun Künstlern und Künstlerinnen gezeigt, die sich mit dem Thema Identität auseinandersetzen.
Mehr als 1300 Gesichter erzählen von Selbstbewusstsein und Zweifel, von Vertrautheit und Fremdheit, von Erinnern und Vergessen und haben dabei auch die Vielgestaltigkeit der Persönlichkeit jedes einzelnen Menschen zum Thema. Die Suche nach dem Ich im Portrait ist gekoppelt an einen latenten Zweifel an der Wirklichkeit, die in der Moderne immer stärker in Abhängigkeit der eigenen Wahrnehmung gesehen wird. Die Auflösung eines klar abbildenden Verhältnisses zwischen der Wirklichkeit, ihrer Wahrnehmung und deren Abbildbarkeit führt zurück in den eigentlichen Kern allen Forschens: zum Ich, zum Individuum, zum Subjekt.
James Turrell – The Wolfsburg Project
Der Lichtkünstler James Turrell hat gemeinsam mit dem Kunstmuseum Wolfsburg seine bisher größte begehbare Lichtinstallation realisiert, die er je für ein Ausstellungshaus entwickelte: Auf einer Grundfläche von 700 m² erhebt sich elf Meter hoch bis unter die verglaste Museumsdecke eine Raum-in-Raum-Konstruktion. Zwei ineinander übergehende Räume – der Viewing Space und der Sensing Space – sind vollkommen leer und werden mit langsam sich veränderndem Farblicht ausgeleuchtet. Während das Licht sich selbst offenbart und auf nichts außerhalb seiner Selbst verweist, treten Fläche, Farbe und Raum in ein Wechselspiel und schaffen eine Atmosphäre, die den Betrachter und seine Sinne vollständig umgeben. Man taucht ein in eine geheimnisvolle, malerische Welt aus reinem Licht. Zusammen mit anderen Werken zeigt das Museum mit dem Wolfsburg Project die bisher umfangreichste Schau des amerikanischen Künstlers in Deutschland.
Margitta Schenk beleuchtet in ihren Arbeiten einige Aspekte des Lebens und spürt existentiellen Fragen nach. Sie schafft Metaphern und erfindet neue Sinnbilder für Lebenssituationen. Dabei bewegt sie sich souverän in einem Spannungsfeld von sowohl als auch. Wir sehen beispielsweise das Hässliche im Schönen – und umgekehrt, wir finden den weichen Kern in der harten Schale – und umgekehrt. Oder wir entdecken die Oberfläche im tiefsten Inneren – und umgekehrt.
„Das Vorbei ist kein Was, sondern ein Wie“ (Martin Heidegger)
Heike Jeschonnek schlägt ein neues Kapitel in der malerischen Auseinandersetzung mit dem Thema Architektur und Stadtlandschaft auf. Kennzeichnend für ihr Werk ist die Arbeit mit dem Werkstoff Wachs und ein Überlagerungsverfahren, das der Eigengesetzlichkeit des Materials folgt. Das Vorgehen der Künstlerin ist beobachtend, assoziativ und intuitiv. Der Auftrag des Wachses mit dem Pinsel auf den Bildkörper entsteht in einem vielschichtigen Transformationsprozess mit erwünschten Kontrollverlusten. Jeder Arbeitsgang verändert das Bild und lässt es neu entstehen. Fläche und Raum erweitern sich Schicht um Schicht bis zur Anmutung tektonisch-haptischer Oberflächenqualitäten. In freier Zeichnung, und bisweilen einer Topologie des Zufalls folgend, entstehen durch Ritzen und Kratzen filigrane Linien, Punkte, Striche oder breitere Streifen, in die eingeriebene Farbe eindringt und die Messerspuren auf der Bildhaut sichtbar machen.
Konzentrierte sich die Künstlerin in ihren frühen Bildern überwiegend auf bekannte Berliner Bauwerke, die sie isoliert im ort- und menschenlosen Raum platzierte, bindet sie in ihre jüngsten Arbeiten auch narrative Elemente ein und bewegt sich im Spannungsfeld von Figur und Umraum. Dabei visualisiert sie disparate Raumsphären vergangenen Erlebens, die der Betrachter mit dem Fundus seiner Erinnerungen vergleicht und zu einem neuen homogenen Ganzen zu destillieren sucht. Doch stets schiebt sich zwischen das eben noch Fassbare das Unbestimmte, das So-noch-nicht-Gesehene in Gestalt der Unschärfe, die das Vertraute entrückt oder Unwesentliches überdeckt.
Heike Jeschonneks Bildobjekte stellen die Eindeutigkeit des Sehens und die Kategorien von Raum und Zeit grundlegend infrage. Sie halten die Wahrnehmung in einer permanenten Ambivalenz zwischen Nähe und Distanz, Verbergen und Offenbaren, Vergänglichkeit und Dauer. Spürbar drücken sie das Ringen um die Wiedergabe von etwas Ephemeren aus, das nur für kurze Zeit gegenwärtig ist, um beim sich Ablösen einer anderen Wirklichkeit Platz zu machen. In einer Geste des Grabens und Wieder-holens führt die Künstlerin in einer feinsinnig lyrischen Ausdrucksstärke das Verdämmern von Erinnerungen und flüchtigen Eindrücken wie in einem Zeit-Katalysator zusammen. Das ist der Augenblick, wo sich neue Erkenntnis über das Sein hinter der Oberfläche des ästhetischen Scheins einstellen kann
Heike Jeschonnek
1964 geboren / born in Gummersbach 1985-1993 Studium Diplompädagogik / study of social work Diplom / diploma 1993-2001 Hochschule der Künste Berlin / university of arts Berlin Meisterschülerin / master of arts
2011 Galerie Tammen Berlin Kunstverein Niebüll, Richard – Haizmann Museum Kunstverein Geldern 2010 Galerie Lake Oldenburg zwielicht (Ausstellungsreihe) Kulturagentur Landesverband Lippe Kunstverein Trier Kunstverein Rhein-Siegkreis Kunstverein Buchholz 2009 zwischen zeit, first floor, Berlin Galerie Tammen Berlin Wohin, Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken 2005 Palast der Republik, Galerie Lichtschliff, Berlin Gloria, Galerie „Hinterconti“, Hamburg 2004 Betonblumen, Kunstverein Dresden-Löschwitz and all the buildings stood still, Galerie Weißer Elefant, Berlin 2003 Betonblumen, Installation Galerie Lichtschiff, Berlin
Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl) / Group Exhibitions
2011 Kunstverein Reutlingen 2010 Die Kunst der Natur ist die Natur der Kunst, Künstlerverein Walkmühle, Wiesbaden Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken 2009 CREA BERLIN, Aarschot, Belgien Stillleben, Galerie Tammen Berlin 2008 Zwölf, Galerie am Lützowplatz, Berlin Kunstverein Töplitz 2007 Gezeichnet 2, Galerie Weißer Elefant, Berlin Wettbewerb Stadtbildmalerei, GEHAG FORUM, Berlin Stip Visite, Stipendiat_innen der KHG, Haus am Kleistpark, Berlin Künstler der Galerie, Galerie Tammen Berlin 2005 Miniatur, Kunstgalerie altes Rathaus Fürstenwalde 2004 Ausgezeichnet, Stiftung Starke, Berlin 2003 Licht-Raum-Europa, Kunstverein „artis via“, Ingolstadt MAIS, Bunker-Alexanderplatz, ‚Berlin 2002 Il Sonno (the dream), Gallery Gramma, Rom, Italien How to fake Dreams, Installation Brotfabrik, Berlin Heimat, Kunstwoche Jesteburg 2001 Forum Junge Kunst, Stiftung Starke, Berlin MAIS, Gesundbrunnen-Bunker naturae, Kunsthaus Essen 2000 Forum Wasserwelten, Themenpark, EXPO 2000 Hannover
Sich umarmende Figuren in Schutzanzügen mit Atemmasken, ein Hund mit über den Kopf gestülptem Goldfischglas, Plakate mit kritischen Botschaften gegen die Manipulationen des Kunstmarkts, eine Installation aus alten Koffern, die sich als getarntes Versteck für Sprayer entpuppt, um den Stadtraum ungestört mit Graffiti verschönern zu können – das Œuvre des britischen Künstlers Boxi ist vielfältig. Bei genauerer Betrachtung seiner Arbeiten weisen diese dennoch Gemeinsamkeiten auf: Sie behandeln Themen, die auf den ersten Blick vielleicht amüsant oder harmlos erscheinen, bei genauerem Hinsehen jedoch Umstände bloßstellen, die eine gewisse Tragik ausstrahlen. Boxi ruft den
individuellen Prozess der Wahrnehmung ins Bewusstsein und entlarvt die verbreitete Tendenz, Dinge nur oberflächlich zu rezipieren. Mit seinen Interventionen in alltäglich erscheinende Objekte oder Situationen hinterfragt er das Sichtbare und verdeutlicht, dass endgültige Wahrheiten nicht gezeigt werden können. „Call it what you like“ (2008), ein abgebrochener Fahnenmast aus Holz, den der Künstler in Dänemark gefunden hat, veranschaulicht Boxis Tendenz, einfache Gegenstände mit einer kraftvollen Symbolik aufzuladen und sie auf ironische Art und Weise von ihrer ursprünglichen Bedeutung zu entbinden.
Einzelausstellungen
2009 The Protective Layer – Projektraum Viktor Bucher, Vienna / Austria
Grey Area – Carmichael Gallery, Los Angeles / USA
2008 Cutting It – REINKINGPROJEKTE, Hamburg / Germany
2007 Buildings and Bridges – Deathless, Berlin / Germany
2006 Tracks – Maria am Ostbahnhof, Berlin / Germany
Nystagmus – Sanitorium, Berlin / Germany
My Urban Soul – Club Trompete, Berlin / Germany
2005 Room Kidnapping – Miss Hecker, Berlin / Germany
2004 Kunst-Event, Kunstmesse, Dortmund / Germany
Gruppenausstellungen
2009 ARTotale – Leuphana Urban art project, Lüneburg / Germany
Urban Art – Museum of modern Art, Bremen / Germany
Tenants – Remap 2, AD Gallery, KM District, Athens / Greece
2008 Primary Flight – Art Basel Miami, MODART, Florida / USA
Call it what you like – Kunstcentret Silkeborg Bad,
Silkeborg / Denmark
fresh air smells funny – Kunsthalle Dominikanerkirche,
Osnabrueck / Germany
2007 Raum Konzept – Miss Hecker in Hinterconti /
Hamburg / Germany
Urban Art Agenda #1 shed 4 – Victoria Harbour, Melbourne /
Australia
Selected Cuts – Higher Ground, Adelaide / Australia
2006 On the road – Miss Hecker in Hinterconti, Hamburg / Germany
Zozophobia – Zozoville, Berlin / Germany
It`s a sick job – Design City, Pogdesign, Designmai,
Berlin/ Germany
Transmediale-being bold – Maria am Ostbahnhof,
Berlin / Germany
2005 The City made us do it – Dialekt, Stuttgart / Germany
Vontürzutür – Soylent, Berlin / Germany
2004 Road to Nowhere – Lovelite, Berlin / Germany
2003 Zeitgenoessisch! Kunst in Berlin – KPM, Berlin / Germany
Der Mensch als Individuum oder in der Masse, selbst- oder fremdbestimmt und in den unterschiedlichsten Situationen hat H.- C. Koglin von früh auf fasziniert. Während er sich bis in die 90er Jahre in Radierungen, Ölmalerei, Collagen und Lithografien mit menschlichen Verhaltensweisen gestalterisch auseinander setzte und diese Phase fast abgeschlossen hatte, entdeckte er kleine Modellfiguren und ihre unendlichen Verwendungsmöglichkeiten. Er stellte Collagen, Bild- und Guckkästen mit Menschen als Masse en miniature zusammen, die den Betrachter zum Innehalten und Nachdenken anregen.
In dieser Ausstellung werden Bildkästen und Objekte präsentiert, in denen sich der Künstler mit der Manipulation des Menschen durch moderne Medien, der Verführbarkeit durch Einzelne und dem Ausufern von Gewalt in der Gesellschaft auseinandersetzt. Koglin hat sich von den vorgefertigten Figuren gelöst und entwickelt aus Illustriertenmaterial und Fotos verpuppte Figuren, die er zu Szenarien in Bildkästen verarbeitet. Darstellungen von Gesichtern und Köpfen von Menschen des öffentlichen Lebens in Reagenzgläsern eingeschlossen oder in Fächern geordnet zeigen, dass die Individualität in der Masse verloren geht. Ein Guckkasten spiegelt scheinbar endlose Welten vor. Allen Arbeiten ist gemeinsam, dass der Künstler häufig die Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft in ironischer bis hin zu sarkastischer Weise persifliert.
Vita H.-C. Koglin
1937 in Korswandt auf Usedom geboren
Gestorben Sept.2007 in Ahrensburg
1957 Abitur in Hamburg 1957 – 1962 Studium an der Hochschule für Bildende Künste in
Hamburg, bes. bei Prof. G. Gresko 1962 Staatsexamen an der H.f.B.K. in Hamburg 1962 – 1966 Studium der Germanistik und Literaturwissen
schaft Uni Hamburg 1966 – 1971 Lehrauftrag an der Fachhochschule Hamburg
Einzelausstellungen (Auswahl)
1962 Bauzentrum, Hamburg
1975 Stedelijk Museum, Schiedam/Rotterdam (K)
Galerie Altschwager, Hamburg
1976 Universitäts- u. Forschungsbibliothek Nanterre, Paris
Galerie Volta, Zürich
1980 Dachgalerie, Böblingen
1983 Kunstverein, Rathaus Ahrensburg
1987 Galerie Bollhagen, Worpswede
1991 Landeshaus, Kiel
1993 Galerie Vivendi, Ahrensfelde
1995 „Szenarien“, Stormarnhaus, Bad Oldesloe (K)
Galerie Kunst der Zeit, Dresden (K)
1986 8. Internationale Graphik Biennale, Frechen/Köln (K)
Wewerka triumphierte über die Design-Funktionäre der Postmoderne, weil er es fertig brachte, die ursprüngliche Bedeutung von Designen in die Gegenwart zurückzuholen. Er vermittelte nämlich die Kraft der gedanklichen Konzepte des Paradoxien erschliessenden Witzes und der psychischen Energie mit der Welt der Dinge.
Er beseelte die Artefakte nicht nur durch den Schöpferhauch (unter Künstlern häufig als Mundgeruch der Trinker diskriminiert), sondern ermunterte sie, ja, zwang sie zu einem Eigenleben, wie es zuvor nur Theodor Vischer (Tücke des Objekts), Dick und Doof, Charlie Chaplin, Buster Keaton (Heimtücke des Fetisch) und nach Wewerka das Schweizer Künstlerduo Fischli und Weiss (Funktionslogiken der Objektpanik) versucht hatten.
Wewerkas hinkende Stühle, sich selbst unter den Tisch saufenden Tische und seine Totalisierung der Körperfaltungen zur raumsparenden Entsorgung sind Wunderwerke der künstlerischen Aufklärung: Sie verhindern die fundamentalistisch platte 1:1-Übersetzung von Gestalterideen in materiale Verkörperungen.
Er ist der Grossmeister des Antifundamentalismus durch Ermunterung der Dinge zur Schieflage, zum Eigensinn und zur blühenden Vieldeutigkeit und Mehrwertigkeit. Nun wendet die Natur Wewerkas Um- und Umgestaltungsvermögen auf den Meister selber an. Alter nennt man das Falten von Körperpartien, das Knickballett von nicht mehr tragfähigen Beinen – möge er am eigenen Leib die Bestätigung geniessen, dass er Gestaltung stets und naturgemäss als Rearrangement von Körpern im Raum, also als Ballett des Verschwindens betrieben hat. Ein guter Mann, er sei gesegnet.
Herbert Zangs „gehört zu den wichtigsten und – gemessen an seiner Bedeutung – unbekanntesten deutschen Künstlern der Nachkriegszeit. Zangs repräsentiert keine bestimmte Avantgarde, sondern er lief der Avantgarde immer voraus, es ist, wenn man so will, ein Hebammenhelfer der Moderne. Was Zangs vor Beuys, vor Christo, vor Manzoni und vor der Düsseldorfer Gruppe Zero an experimenteller, neuer Kunst produzierte, muss auch heute noch jeden staunen machen, der sich zu diesem Oevre bekennt.“ (Michael Stoeber)
zur Eröffnung der Ausstellung Herbert Zangs „Arbeiten aus fünf Jahrzehnten“
von Dr.Sven Nommensen
Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig
Herbert Zangs, der in Krefeld aufwuchs, meldete sich am 8. März 1941 – wenige Monate nach dem Beginn seiner Ausbildung zum Musterzeichner an der Krefelder Werkschule und kurz vor seinem 17. Geburtstag – freiwillig zum Kriegsdienst.
Bereits dieses Ereignis aus seiner Jugend liefert Indizien für die Veranlagung des 1924 geborenen Zangs und ist zugleich eine wichtige Voraussetzung für seine künstlerische Entwicklung.
Zunächst zur Entscheidung, in den Krieg zu ziehen: Seine Biografin Susannah Cremer-Bermbach schreibt, diese Entscheidung war seiner Abenteuerlust geschuldet. Diese spontane Sprunghaftigkeit, diese Neugier nach Unbekanntem, dieses Fernweh sollten sich als Eigenschaften herausstellen, die er als Lebensstil etabliert.
Bereits vor der Ausbildung zum Musterzeichner hatte Zangs verschiedene Ausbildungen begonnen und wieder abgebrochen. Nach seinem Kunststudium setzt er seinen unsteten Lebensstil fort, besitzt keinen festen Wohnsitz, kehrte allenfalls zwischen seinen Reisen immer wieder nach Krefeld zurück. Er reiste durch Europa, Afrika, Asien, Amerika, Australien – mit wenig oder ohne Geld –, quartierte sich bei Freunden, Galeristen oder Fremden ein. In Paris lebte er seit den 50er Jahren für einige Monate oder auch für längere Zeiträume – hier sollte er viele Künstler treffen, die für seine Entwicklung maßgeblich waren.
War er auf der einen Seite angetrieben durch Unstetigkeit, Neugierde und Schaffenskraft ständig auf der Suche nach Inspirationen, nach Experimenten, nach Anregungen und Anlässen. stand ihm auf der anderen Seite die Sprunghaftigkeit im Wege. Breite öffentliche Anerkennung wie die seiner Mitstreiter Joseph Beuys, Yves Klein oder Piero Manzoni sollte ihm versagt bleiben – obwohl er das vorweggenommen hat, womit Klein und Manzoni weltberühmt werden sollten, das Weiß als bestimmende Farbe.
Es hat den Anschein, als dass er es in Kauf nahm, sein Werk, dem unzweifelhaft ein Platz an höchster Stelle gebührt, selbst zu desavouieren.
Eine Ursache scheint seiner Einstellung gegenüber der offiziellen Zunft der Kunsthistoriker geschuldet zu sein. „Um Kunsthistoriker habe sich Herbert Zangs nie gekümmert„, gemerkt Manfred Schneckenburger zu Recht. Umgekehrt stellt Zangs die Kunsthistoriker, die traditionellerweise auf Kategorien zurückgreifen und vergleichende Zuordnungen schaffen, vor schwierige Aufgaben: seine Unberechenbarkeit, Antikonformistismus und künstlerischer Anarchismus förderten ein „hochsensibles Kraftwerk“ (Schneckenburger) zu Tage.
Symptomatisch für Zangs’ Unberechenbarkeit war denn auch seine Reaktion auf die Begegnung mit Heinz Mack und Otto Piene. Die beiden Künstler waren im Begriff, eine der wichtigsten deutschen Bewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg zu gründen, die Gruppe ZERO, und boten ihm die Teilnahme an. Zangs schlug aus.
Schon in diesen frühen Jahren deutet sich der Eindruck an, den Zeitzeugen über Zang gewinnen mußten. So schreibt Uwe Rüth, der ehemaliger Direktor des Museums „Glaskasten“ in Marl: „Seine lebenslangen Eskapaden, seine bis zum Bösartigen reichenden Provokationen, sein unbeeinflussbarer aber ausnutzender Umgang mit der offiziellen Kunstwelt – vom domestizierten Museumswesen bis zum kommerzialisierten Kunsthandel – und seine von jeglicher Abhängigkeit gelöste Lebensform haben ihn zum ‚enfant terrible’ aber auch zum ‚Phänomen’ (Peter Brünung) Zangs gemacht. Insofern ist Herbert Zangs einer der letzten unabhängigen Avantgarde-Künstler, der sein Leben und sein Werk konsequent und rücksichtslos verwirklichte.“
Doch zurück zu den Anfängen seiner Laufbahn:
Der zweite Aspekt, der sich aus der in der Jugend getroffenen Entscheidung für den Kriegsdienst herauslesen lässt, betrifft seine künstlerische Affinität.
Schon während des Kriegsdienstes trat sein Interesse für gestalterische Tätigkeit zu Tage. Er illustrierte Offiziersgedichte und Briefe, was ihm die Anerkennung der Kameraden und das nötige Selbstvertrauen einbrachte, sich nach dem Ende der kriegsbedingten Entbehrungen und Erfahrungen für ein Kunststudium zu entscheiden.
In die Zeit des Kriegsdienstes fiel auch ein Ereignis, das für seine Objekt-Verweissungen von Bedeutung sein sollte und von dem noch die Rede sein wird.
Nach dem Krieg nahm Zangs sofort sein Studium in der Akademie Düsseldorf auf. Hier sollten sich materielle Zwänge unmittelbar auf sein Verhältnis zur tradierten Auffassung von Kunstproduktion und den weitläufig anerkannten kunstgeschichtlichen Konventionen auswirken. Die aus der Studienzeit stammenden Arbeiten lassen keine nennenswerten Einflüsse bestimmter Lehrer erkennen; die gegenständlichen Gemälde oder stilisierten Landschaften entsprachen der noch aus Vorkriegszeiten anhängenden Stilrichtungen und der konservativ ausgerichteten Lehrerschaft der Akademie.
Während sich Zangs für Kunstgattungen, Stilkunde oder akademische Fragestellungen kaum interessierte, war hingegen für ihn die Abteilung der Maltechnik unter der Leitung von Wilhelm Herberholz von entscheidender Bedeutung. Hier wurden den Studenten nicht nur die Grundkenntnisse der Maltechnik vermittelt – wie das Grundieren von Leinwänden, Aufziehen auf Keilrahmen, Herstellung von Farben und drucktechnischen Hilfsmitteln sowie verschiedener Mal- und Zeichentechniken -, der Abteilung der Maltechnik war darüber hinaus die Restaurierungswerkstatt angegliedert. Unter Anleitung von Herberholz reparierten und restaurierten die Kunststudenten kriegsbeschädigte Gemälde und Keramiken der Akademiesammlung. Beide Betätigungsfelder – das Studium der Maltechnik und das Restaurieren – bereiteten Zangs ein weites Feld für den experimentellen Umgang mit aller Art von Material. Entgegen der akademischen Tradition, nur erprobte und „angemessene“ Materialien zu verwenden, machten die Studenten der Maltechnik aus der nachkriegsbedingten materiellen Not eine Tugend und griffen auf unkonventionelle Materialien zurück, z.B. Makulatur als Maluntergrund.
Während des Studiums lernte Zangs auch Joseph Beuys kennen, haben sich die beiden doch fast zeitgleich in der Düsseldorfer Akademie eingeschrieben. Schon im Studium zeichnete sich ab, dass beide unterschiedliche Wege einschlugen. Während Beuys sich an seinem Lehrer Ewald Mataré abarbeitete und später die Themen Tod, Schmerz und Leid intellektuell durchdrang, suchte der handwerklich begabte Zangs den experimentellen Umgang mit aller Art von Material. Die Lebensumstände und die künstlerischen Aktivitäten führten die beiden immer wieder zusammen. Beuys war von der Schaffenskraft Zangs beeindruckt. Er sagte über ihn: „Die Frage, die er immerfort vor sich her produzierte war, wie das Schicksal eines Vollblutmalers in dieser Zeit wohl aussehen würde. Er lieferte eine ganze Reihe von Gegenbildern, an denen man sehr viel Orientierung finden konnte.“
Bereits Ende der 40er Jahre begann in Europa ein künstlerischer Paradigmenwechsel. Von Paris aus – dem europäischen Nukleus der abstrakten Kunst – breitete sich über Deutschland eine neue Formensprache aus. Für deutsche Künstler waren die amerikanische Variante der Abstraktion, der so genannte Abstrakten Expressionismus, und die lyrische Abstraktion französischer Prägung eine Konfrontation mit einer gänzlich neuen Formensprache, die viele der bisher als unverrückbar geltenden Normen und Anschauungen in Frage stellte.
Auch in Deutschland ließ die Reaktion nicht lange auf sich warten. In Recklinghausen gründete sich 1948 die Künstlervereinigung „Junger Westen“ mit Emil Schumacher, Heinrich Siepmann u.a. 1949 gruppierten sich die Künstler Willi Baumeister, Fritz Winter, Rupprecht Geiger u.a. um eine lose Interessengemeinschaft namens ZEN 49. Beide Gruppierungen schrieben sich die Abstraktion auf ihre Fahnen.
Auch der wissensdurstige, neugierige und experimentierfreudige Zangs ließ sich von den Anregungen aus Amerika und Paris inspirieren. Dazu zählen die Ausstellungen, die er vor allem in Paris sehen konnte und die Begegnungen mit anderen Künstlern. 1951 trifft er WOLS (Alfred Otto Wolfgang Schulze) in Paris, nicht nur ihre Vorliebe unter den Brücken der Seine zu nächtigen, sondern das gemeinsame Interesse an den neuen Ausdrucksmöglichkeiten verbindet sie. WOLS führt Zangs in die Pariser Szene ein, verschafft ihm wertvolle Kontakte und gibt wichtige Ratschläge. Er führt ihn in Ausstellungen, auf denen er die Arbeiten von Hartung, Mathieu, Pollock, Tobay u.a. kennenlernt. Wie viele andere europäische Künstler, ist Zangs von Pollocks revolutionärer Arbeitsweise fasziniert. Legt der Amerikaner doch Leinwände auf Boden und lässt die Farbe darauf tropfen. Diesen polyfokalen drippings lag schließlich eine gänzlich neue Bildauffassung zugrunde.
In der gleichen Arbeitsweise sind auch die drippings von Zangs entstanden, von denen wir in dieser Ausstellung ebenfalls ein Werk ausgestellt haben.
Der Ursprung der Verweissungen allerdings geht weniger auf ein Vorbild zurück als vielmehr auf praktische Umstände, die gepaart mit den oben angedeuteten Kriegserlebnissen und psychischen Befindlichkeiten, die dem totalen Neuanfang Deutschlands geschuldet sind.
Anfang der 50er Jahre überließ ein Krefelder Rahmenvergolder Zangs einige Eimer mit Resten weißer Farbe. Hört sich dieser Umstand zunächst recht banal an, entspricht er doch dem Credo des Künstlers: es gibt nichts, was nicht kreativ zu verwerten ist. Die Materialknappheit der Nachkriegszeit tat ihr Übriges.
Die Verweissungen haben verschiedene Ursachen.
Zunächst übte die Farbe Weiß seit seines Kriegsdienstes Faszination auf ihn aus. In Finnland stationiert, prägte ihn der überraschende, winterliche Wandel der Landschaft. Als er eines Morgens aufwachte, blickte er in eine verwandelte Welt: Der Schnee hatte die Landschaft über Nacht bedeckt. Das gestern noch Bekannte begegnete dem jungen Menschen mit einem Mal merkwürdig fremd, seltsam entrückt. Das unbekannte Bekannte verlangte nach neuer Orientierung. Die Wirklichkeit büßte ihre Beständigkeit ein.
Die Infragestellung von Wirklichkeiten – dies war ein die gesamte Kriegsgeneration prägender Paradigmenwechsel, der auch an den Künstlern nicht spurlos vorbei ging. Weiß schien Zangs ein adäquater Ausdruck seiner inneren und äußeren Befindlichkeiten.
Er ver- oder bedeckt die Objekte nie komplett weiß, sondern lasierendes Weiß gibt das Material, die Strukturen der Oberflächen zu erkennen. Auf der einen Seite wird den verweissten Gegenständen ihre materielle Haptik entzogen und das materiell-energetische Feld gemildet; auf der anderen Seite rücken visuelle Strukturen, ästhetische Rhythmen und Spannungen in den Vordergrund.
Die Wahl seiner Objekte ist vielfältig: vom einfachen Schachteln über Assemblagen (auf einem Trägerplatte montierte Gegenstände) bis zu mixt media Objekten.
Ein Puppengesicht in einem Lampenschirmgestell, ein zerbrochener Kleiderbügel, Holzspangen mit Schrauben versehen, ein Schlips auf einem Blechschild und nicht zuletzt ein liegendes Pferd, an dessen Korpus ein Tischbein gebunden ist – diese fragilen Montagen, die fahl-weißen Oberflächen strahlen morbiden Charakter aus und evozieren Assoziationen zu der Farblosigkeit, der entstellenden Fahlheit des zerstörten Nachkriegsdeutschlands. Die Städte hatten unter dem Krieg ihre Konturen verloren, ganze Straßenzüge waren unter Schutt vergraben, Häuser waren lediglich an Mauerresten erahnbar, Bäume stakten als verkohltes Geäst in den Himmel – die Gegenständlichkeiten sind einer nivellierenden Gewalt zum Opfer gefallen und repräsentieren mehr ein schemenhaft-visuelles Ereignis als eine gegenständliche Konsistenz.
Zangs Verweissungen mildern die Schärfe der Objekte, ihre gegenständliche Präsenz.
Weiß verkörpert aber auch den Neuanfang. Tabularasa. Altes verdecken, vergessen und hinter sich lassen. Im Neu-Anfang liegt ein Zauber, die Magie des Unschuldigen und Unbelasteten, die durch die Farbe Weiß seit jeher symbolisiert wird – erinnert sei an die weiße Lilie.
Udo Kultermann erinnert daran, dass Weiß gleichermaßen den Mangel an Farbe wie auch die Summe der Farben verkörpert. Der deutsch-amerikanische Kunsthistoriker weiß um die Ambivalenz der Farbe und zitiert eine Passage aus Melvilles „Moby Dick“, die das Weiß des Wales thematisiert: „[trotz dieser tausend Verbindungen, durch die das Weiße sich allem zugesellt, war ruhmvoll und erhaben ist, lauert dennoch etwas schemenhaft Unfassbares im tiefsten Sinn dieser Färbung […]. Die Unfassbare ist die Ursache, warum die Vorstellung des Weißen, wenn es sich aus freundlicheren Beziehungen gelöst und mit etwas an sich Entsetzlichen gepaart erscheint.“
Thema der gezeigten Collagen ist ein kleines Dorf in Schweden.
Eingebettet in eine Landschaft aus geheimnisumwobenen Wäldern, im Frühling von blumenbesäten Wiesen, im Winter oft unter Schneebergen verschwunden, eingetaucht in das wunderbar durchsichtige Licht, das von den großen Wasserflächen der vielen Seen reflektiert wird.
Seine Menschen sind wortkarg, manchmal schrullig. Sie sind von der großen Nähe der Natur geprägt, dem kargen Land mit den riesigen Granitblöcken wie von Riesenhand geschleudert, der Einsamkeit und der unglaublichen Stille.
Landschaft als Spiegel von Gefühlsstimmungen, der Verschmelzung von Realität und Abstraktion, sind Grundlage der Collagen.
Die Collage-Technik erlaubt alle Freiheit des Materials: Papiere unterschiedlichster Art, hauchzartes oder stark strukturiertes, eine große Farbauswahl und darüberhinaus das Integrieren unterschied-lichster Objekte wie Samenstände, Kapseln, gepresste Porreeschalen oder Rinde. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Wenn ich meine Arbeit beginne habe ich eine genaue Vorstellung im Kopf, aber sehr oft entwickelt die Collage ihre eigene Dynamik. Das lasse ich meist zu und freue mich über den neuen Weg, der Abenteuer und Entdeckung verspricht.
In der gemeinsamen Ausstellung von Suse Bauer und Hans Stützer zeigen die beiden Künstler Objekte, Zeichnungen und Projektionen, die im »Cabinet« installiert werden. Die Inszenierung ist hier nicht bloße Präsentation sondern Teil des Konzepts des »Cabinet d’Ordres Possibles«, in welchem die Präsentationsform selbst Betandteil dieses Referenzkabinetts wird. Die beiden sind aufmerksame Beobachter der verschiedenen Strategien von Identitätskonstruktion.
Bedeutungsgefässe, Kultgegenstände, Chimeren und Sehnsuchtsverbildlichungen, die aus der Suche nach Sinn, Orientierung und Gemeinschaft herrühren, scheinen sich in den Arbeiten auf dramatische Weise zu materialisieren.
»Die Materialität der Hülse« – so nennt Suse Bauer das, was sie interessiert. Ihre collagenhaften, reliefartigen Zeichnungen
bewegen sich zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion.
Die expressiven Formen von üppiger Farbigkeit erreichen eine dreidimensionale Präsenz durch ihre besondere Materialität.
Inszenierung von Bedeutung, Bedeutungsaufladung und Bedeutungsüberhöhung, also die Präsentation des Mysteriums – im Kleinen wie im Grossen – ist ein wiederkehrendes Element.
Suse Bauer beschäftigt sich mit der Phänomenologie der Verehrung, nicht mit dem Mysterium selbst, sondern mit der repräsentativen Hülle und deren Substanz.
Hans Stützer bedient sich verschiedener Medien.
Neben Objekten und Zeichnungen bilden Videoarbeiten und Installationen den Schwerpunkt. Seine Arbeiten verweisen auf mediale Ikonographie, popkulturelle Phänomene und gesellschaftspoltische Kontexte.
Dynamiken und Veränderungen der Geschichtswahrnehmung und damit der Selbstwahrnehmung ist zentrales Thema. Worte und Formen, insbesondere Symbole und zeitgeschichtliche, kunsthistorische sowie persönliche Schlüsselbilder werden neu zusammengestellt.
Es entstehen Kontextverschiebungen bis hin zur Gegenwartsbeschreibung der subjektiven Realität des Künstlers wenn die Symbole transformiert oder aufgelöst werden.
Sprengel Museum Hannover „Marc, Macke und Delaunay“
Abfahrt: Samstag 20. 06. 09 – 10:15 Uhr ab Buchholz ZOB Kosten: EUR 40,-für Mitglieder des Kunstvereins EUR 50,- für alle anderen Anmeldung und Infos bis 12. Juni 09 unter Tel.: 04181 – 38 00 868
Wilhelm-Busch-Museum Hannover, „Carl Spitzweg und Wilhelm Busch – Zwei Künstlerjubiläen“, Führung, Mittagsimbiss Abfahrt: Samstag 14. 03. 09, 10 Uhr ab Buchholz ZOB, Ankunft: ca. 18 Uhr Kosten: EUR 37,- für Mitglieder des Kunstvereins, EUR 47,- für alle anderen
„Die Kunst des Bilder-Rahmens – vom klassischen Vergolderhandwerk über die Restaurierung antiker Rahmen bis zur modernen Einrahmung von Kunstwerken“ im Kunstverein mit Sabine Pfanne-Dreesen, Vergoldermeisterin und Wolfgang Pfanne. Im Anschluss können mitgebrachte Rahmen begutachtet und geschätzt werden.